Industriedach – neue Entwicklungen und Tendenzen
20. September 2017In einer vernetzten Welt, die immer höhere Maßstäbe an die sofortige Verfügbarkeit sehr großer Datenmengen stellt, wird die Errichtung moderner Rechenzentren ein zentrales Thema für den weiteren Ausbau internetbasierter Anwendungen.
Für ein zuverlässig arbeitendes Rechenzentrum ist neben allen elektronischen Komponenten sowie den einzubauenden Maschinen und elektrotechnischen Geräte auch und gerade die Ausführung eines hochwertigen Rohbaus erforderlich, der große Ansprüche an Planung und Bauausführung stellt.
Verfügbarkeitsklasse
Schon in einer frühen Projektdefinitionsphase muss sich der Bauherr im Klaren sein, welchen baulichen Standard er anstrebt. In aller Regel wird dies bei einem Neubau das Erreichen der höchsten Verfügbarkeitsklasse sein – schon allein aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und aus Konkurrenzüberlegungen heraus.
Im Rechenzentrumsbau ist derzeit die Verfügbarkeitsklasse VK 4 das Optimum. Die Bedingungen zum Erreichen dieser VK sind in der DIN 50600 niedergelegt. Zwingend erforderlich ist dafür die Zertifizierung, z.B. durch den TÜV.
Sicherheitsniveau
Klar zu definieren ist außerdem vorab das angestrebte Sicherheitsniveau, aus dem sich dann z.B. Forderungen zu Tür- und Fensterqualitäten ableiten, aber auch z.B. bautechnische Lösungen für einen LKW-Durchbruchsversuch gefunden werden müssen, die sich als Betonverstärkungen in den Zaunfundamenten oder auch als aufbetonierte Wandverstärkungen im Erdgeschoss darstellen können.
Eine Folge für die zahlreichen von außen ins Gebäudeinnere führende Daten- und Stromleitungen kann darin bestehen, dass die Leerrohre für diese Kabel deutlich tiefer als sonst üblich verlegt werden müssen. Die Zertifizierungsstelle kann z.B. verlangen, dass alle gefährdeten Strom- und Daten-Leitungen unterhalb der Gebäudefundamente geführt werden müssen und von unten durch die Bodenplatte in das Gebäude einbinden.
Dies hat naturgemäß erhebliche Mehrmengen an Aushub und für die tiefen Kabelgräben auch an Ortbeton zur Folge, der an neuralgischen Punkten für die drucksichere Abdeckung aller Kabel benötigt wird.
Gebäudeanforderungen
Das Gebäude des eigentlichen Rechenzentrums entspricht in vielem einem üblichen Bürogebäude mit angeschlossener industrieller Lagerhalle.
Für die Funktionstüchtigkeit dieses Bauwerks sind die Anforderungen an Wasserdichtigkeit des Daches, an die Ebenheit des Fußbodens und an die Reinraumgestaltung und die Abschirmung der Datenhalle, in der sich die Server befinden, maßgeblich.
Hinzu kommen möglicherweise spezielle Brandschutzvorgaben sowie aufgrund der Menge an technisch erforderlichen Einbauten und der damit verbundenen aufeinander abgestimmten Leistungsführung oftmals ein eindeutiges Management für Wand- und Deckendurchbrüche.
Im Einzelnen bedeutet dies für den verantwortlichen Planer:
- Ausplanung eines Flachdachs, das den aktuellen anerkannten Regeln der Technik entspricht. Dazu zählt eine genaue Durchbildung aller Abdichtungsmaßnahmen, einschließlich Anschluss der Folienbahnen an die Attika und an Dachdurchdringungen, Gewährleistung eines zweckmäßigen Gefälles und genaue Detailplanung der Gullys und Notüberläufe.
- Der Fußboden der Datenhalle sowie auch die Fußböden der zu ihr führenden Flure müssen die Ebenheitsanforderungen erfüllen, die sich aus dem späteren Antransport und Einbau der Racks (=Regale für Server, etc.) ergeben. Da diese nur nahezu horizontal transportiert werden dürfen, sind Steigungen von Anlieferung über Aufzug, Flur und Türschwellen strikt zu vermeiden.
- Die völlige Staubfreiheit der Datenhalle versteht sich von selbst – jedoch führt dies dazu, dass zusätzliche Wandverkleidungen in Form von Trockenbau-Vorsatzschalen erforderlich werden. Diese verdecken außerdem die oftmals zum Schutz des Rechenzentrums vor EMV-Auswirkungen auf die Rohbauwände aufgebrachten dünnmaschigen Metallnetze und schaffen wieder glatte Oberflächen (für den Bodenaufbau gilt Entsprechendes unter Beachtung der Druckfestigkeit für die Nutzung von Flurförderfahrzeugen).
- Ein betriebsbereites Rechenzentrum erfordert nachhaltige Kühlungs- und Lüftungsmaßnahmen. Diese mechanischen Einbauten – oftmals verbunden mit umfangreichen technischen Anlagen auf dem Flachdach – erfordert eine Feinabstimmung in der Leitungsführung und Dachdurchbruchsplanung.
Alles in allem stellt ein Gebäude, das für die Nutzung als Rechenzentrum vorgesehen ist, für den Planer und auch für die Bauleitung eine besondere Herausforderung dar, die bereits in der Projektdefinitionsphase beachtet werden muss und ein deutliches Mehr an Planungsaufwand bedeutet sowie eine sehr feinmaschige Objektüberwachung erfordert.
Weiterführende Lektüre:
Dürr, Bernd, IT-Räume und Rechenzentren planen und betreiben, Verlag Bau + Technik, Düsseldorf 2013